Donnerstag, 22. April 2010

Interview mit Herbert Dvoracek, Mass Response

Call-TV: “Viele schwarze Schafe in der Branche”

AUFREGER. Die Methoden im Anrufer-TV stehen am Pranger: In TV-MEDIA meldet sich Herbert Dvoracek von der Telekom-Tochter mass response zu Wort.

Vor drei Wochen packte ein Insider in TV-MEDIA über die Praktiken im Call-in-TV-Business aus: Bei Anruf-Gewinnspielen werde “betrogen und belogen”. Hohe Gewinnsummen würden nie ausbezahlt. Und: In Kuverts hinterlegte Antworten würden oft sogar ausgetauscht. (Siehe hier.)

TV-Quiz-Betreiber im Interview.
Schwere Anschuldigungen, mit denen TV-MEDIA nun einen der Gewinnspiel-Macher konfrontierte. Herbert Dvoracek ist Geschäftsführer der Firma mass response, die Quizspiele für ATV und Super-RTL produziert. Pikant: Das Unternehmen, das in elf Ländern aktiv ist und sich primär als technischer Dienstleister im Telekombereich sieht, gehört zu 100 % der Telekom Austria, die wiederum zu mehr als einem Drittel im Staatsbesitz steht …
TV-MEDIA: Herr Dvoracek, wie stehen Sie zu den in TV-MEDIA erhobenen Vorwürfen?
Herbert Dvoracek: Ich kann verstehen, dass da jemand frustriert ist, weil er vielleicht nicht mehr so viel Geld verdient. Die Umsätze, vor allem in Deutschland, gehen zurück. – Wir jedenfalls gestalten das Geschäft so, dass es transparent und fair abläuft.
TV-MEDIA: Man kann bei Ihrem TV-Quiz aber kaum gewinnen …
Dvoracek: Das stimmt so nicht. Wir hatten im vergangenen Jahr im Schnitt jede Viertelstunde einen Gewinner.
TV-MEDIA: Den Eindruck hat man definitiv nicht, wenn man z.B. ATV-Gewinnspiele verfolgt.
Dvoracek: Ich kann das belegen. Pro Sendung haben wir sieben Gewinner.
TV-MEDIA: Und wie viel Geld spielen Sie aus?
Dvoracek: Etwa 60.000 bis 70.000 Euro pro Monat.
TV-MEDIA: Einer der massivsten Vorwürfe: Die Antwortkuverts würden ausgetauscht. Kennen Sie diese Praktik?
Dvoracek: Wir haben kein Bonus-System bei unseren Mitarbeitern, das solche Praktiken vielleicht förden würde. Ich höre diese Geschichten aus anderen Firmen, weiß aber nicht, ob sie stimmen. Was ich nicht ausschließen kann: dass individuelle Fehler passieren. Die sind menschlich. Unsere Sendungen wurden nach einer Klage der Konsumentenschützer von einem Gericht überprüft: Es wurde bestätigt, dass wir fair agieren.
TV-MEDIA: Nach welchem System werden Zuseher in die Sendung durchgestellt?
Dvoracek: Der Call-Operator gibt einen Zeitraum in den Computer ein, innerhalb dessen ein Anrufer ausgesucht wird.
TV-MEDIA: Wie viele rufen an?
Dvoracek: 5.000 bis 6.000 pro Sendung. Sie können sich ausrechnen, dass uns nicht viel Geld übrig bleibt. Wenn wir all die beschriebenen Praktiken anwenden würden, dann vielleicht schon. Mann kann die Leute immer über den Tisch ziehen – aber das ist nicht unser Stil.
TV-MEDIA: Steht dieses Geschäft einer Telekom-Tochter denn überhaupt gut zu Gesicht?
Dvoracek: Das Problem ist: Es gibt mehr schwarze Schafe als weiße in dieser Branche. Wir machen mit Call-in-TV vielleicht zehn Prozent unseres Umsatzes von rund 55 Mio. Ich brauche das deshalb nicht unbedingt.
TV-MEDIA: Schlafen Sie immer gut?
Dvoracek: Sagen wir so: Ich würde auch gut schlafen, wenn wir dieses Geschäft nicht mehr machen.

Martin Wurnitsch, Tv-Media